Der Krankenschein ist auch nicht mehr das, was er einmal war!

Ich befinde mich gerade in den gelben Wochen. So kann man die Tatsache, dass man aktuell gerade arbeitsunfähig krankgeschrieben ist, auch formulieren. Der Beweis dafür, dass das auch so ist waren bislang immer – unangefochten – die (gelben) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Erst- und Folgebescheinigungen).

Diese – auch Krankenscheine genannten – Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen hatten bisher den Nimbus der Unantastbarkeit.

Wer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat, galt als zweifelsfrei arbeitsunfähig erkrankt. Das gilt inzwischen nicht mehr. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gilt nur als eines von vielen möglichen Beweismitteln hinsichtlich einer Erkrankung und kann in ihrem Beweiswert deshalb erschüttert werden.

Das hat ein Arbeitgeber im Jahr 2019 getan. Trotz vorgelegter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat er die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle an seine Arbeitnehmerin verweigert. Diese hatte gekündigt und war noch am Tag der Kündigung sofort arbeitsunfähig krankgeschrieben worden. Für diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war der Beweiswert erschüttert, weil sie passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst hat (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.09.2021 – 5 AZR 149/21).

Inzwischen hat das Bundesarbeitsgericht in einem weiteren Fall entschieden, dass auch der Beweiswert von Folgeerscheinungen erschüttert sein kann, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.12.2023 – 5 AZR 137/23).

Wenn dann der Arbeitnehmer seine tatsächliche Erkrankung doch noch nachweisen will, bleibt ihm nichts anderes übrig als seinen Hausarzt (oder den Facharzt) von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden und als Zeugen gegenüber dem Arbeitsgericht mit dem Antrag auf dessen Vernehmung zu benennen. Eine unangenehme Sache – insbesondere für den Arzt. Allerdings gilt auch für ihn: Zeugenpflicht ist Bürgerpflicht. In diesem Sinne: Gutes Gelingen!

Mitgeteilt durch Herrn Rechtsanwalt Alexander Diehl
Fachanwalt für Arbeitsrecht