In einem Fall aus dem Raum Aachen hatte die Eigentümerin von Grundstücken, auf denen sich ein Weg befindet, den die angrenzenden Grundstückseigentümer über ca. 80 Jahre hinweg benutzt hatten, um an die rückwärtigen Bereiche ihrer Grundstücke (Mülltonnen) und die dort stehenden Garagen zu gelangen, die künftige Mitbenutzung ihrer Grundstücke untersagt und mit angemessener Frist angekündigt, eine Toranlage anzubringen.
Das Landgericht und auch das Oberlandesgericht hatten die Grundstückseigentümerin verurteilt, ihre Nachbarn nicht an der Mitbenutzung des Weges zu hindern. In entsprechender Anwendung von §§ 1027, 1004 BGB gelte Gewohnheitsrecht. Dafür spreche insbesondere die langjährige tatsächliche Nutzung des Weges. Diese wiederum lasse nur den Schluss zu, dass alle Beteiligten von einer dauerhaft wirksamen Vereinbarung eines Wegerechtes ausgegangen sind.
Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof jetzt aufgehoben. Die benachbarten Grundstückseigentümer können sich nicht auf Gewohnheitsrecht berufen. Denn Gewohnheitsrecht meint etwas ganz anderes.
„Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. Als ungeschriebenes Recht enthält es eine generell-abstrakte Regelung; diese muss über den Einzelfall hinausweisen. Zwar muss Gewohnheitsrecht kein „Jedermanns-Recht“ sein. In dem Unterfall der sog. Observanz, bei der es sich um ein örtlich begrenztes Gewohnheitsrecht handelt, kann dieses auch im Verhältnis einer begrenzten Zahl von Eigentümern und Pächtern zueinander entstehen, etwa nur für eine Gemeinde oder die Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Voraussetzung ist aber auch in diesem Fall, dass die ungeschriebene Rechtsnorm, die die Beteiligten als verbindlich anerkennen, alle Rechtsverhältnisse einer bestimmten Art beherrscht. Gewohnheitsrecht kann als dem Gesetz gleichwertige Rechtsquelle allgemeiner Art nur zwischen einer Vielzahl von Rechtsindividuen und in Bezug auf eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen entstehen, nicht aber beschränkt auf ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn. In einem konkreten Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn kann ein Wegerecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch außerhalb des Grundbuchs nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB entstehen, nicht aber durch eine – sei es auch jahrzehntelange – Übung unter Grundstücksnachbarn…“
Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 012/2020 vom 24.01.2020
Mitgeteilt durch Rechtsanwalt Alexander Diehl, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht aus der Kanzlei Diehl & Pape – Rechtsanwälte (Werdau und Zwickau)